Sangerhausen - Ulrichkirche

Unter dem Titel „20+1 Jahre FrauenOrte Sachsen-Anhalt“ findet aktuell eine Ausstellung zu Frauengeschichte(n) aus tausend Jahren von der Altmark bis zum Burgenlandkreis in der Ulrichkirche Sangerhausen statt.

Auf insgesamt 20 Tafeln werden bedeutsame Frauen aus Sachsen-Anhalt vorgestellt und authentische Orte.

FrauenOrte erzählen Geschichte(n). Geschichten von Frauen, die in Sachsen-Anhalt gelebt und gewirkt haben. Sie legen eigene frauengeschichtliche Traditionen in Sachsen-Anhalt frei, ermutigen zur Auseinandersetzung mit Klischees über Frauenrollen und Weiblichkeit, die bis heute reproduziert werden.

Einen zeitlichen Bogen von etwa tausend Jahren Geschichte spannend, ermöglichen die gekennzeichneten Orte Zeitreisen mit regionalem Bezug und sind zugleich regional beliebig zu ergänzen. Das gleichnamige zweibändige Buch verknüpft thematisch die markierten FrauenOrte im Land.

Diese Tafel-Ausstellung ist entsprechend des Projekt-Ansatzes in Sachsen-Anhalt gegliedert: Die zehn Tafeln im 1.Teil (=Fensterseite) stellen den biografischen Bezug in den Mittelpunkt und sind chronologisch aufsteigend angeordnet. Deshalb beginnt diese Ausstellung auch mit der Tafel zu den Ottonen-Frauen. Das 10. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Frauen des Hochadels. Die Königinnen Mathilde und Editha, die Kaiserinnen Adelheid und Theophanu, aber auch die Äbtissin Mathilde von Quedlinburg und die Dichterin Hrotsvit von Gandersheim erlangten eine Bedeutung, die in einem späteren Jahrhundert nicht ansatzweise erreicht wurde.

Dieser Teil der Ausstellung erzählt von Katharina von Bora, aber z.B. auch den Nathusius-Frauen in Neinstedt, die sich entsprechend ihres evangelischen Glaubensverständnisses sozial engagierten und ebenso davon, was Johanna Bertha Julie Jenny von Westphalen und andere Frauen des 19.Jahrhunderts wie z.B. Malerinnen und Schriftstellerinnen mit Orten in unserem Land verbindet. Er endet mit der auflagenstärksten deutschsprachigen Autorin Hedwig-Courts-Mahler (gemessen an der Anzahl der gedruckten Auflagen von über 130 Mio Exemplaren), gefolgt von von der DDR-Schriftstellerin Brigitte Reimann, die in ihrer Heimatstadt Burg geehrt wird.

Der 2. Teil der Tafelsammlung (Säulenseite) spiegelt einen weiteren konzeptionellen Ansatz des Zugangs zu Frauengeschichte wider: Es werden authentische Orte vorgestellt, die Lebenswirklichkeiten und/oder Lebensentwürfe von und für Frauen in unterschiedlichen zeitlichen Bezügen reflektieren. Er beginnt ebenfalls mit dem ältesten Geschichtsbezug, dem Damenstift in Quedlinburg und wird gefolgt vom Kloster St. Marien zu Helfta. Diese beiden vertreten z.B. die in Adelskreisen vorherrschenden alternativen Lebensformen von Frauen, wenn sie nicht verheiratet waren. Der Blick auf das Alltagsleben von Altmarkbäuerinnen symbolisiert den starken Kontrast zum Leben der Adligen Damen.

Schloss Wernigerode steht -als FrauenOrt eng mit dem Namen der Fürstin Anna zu Stolberg-Wernigerode verbunden- für die mit der Aufklärung beginnenden Salonkultur. Diese gehört zunehmend auch zur Lebenswelt in bürgerlichen Kreisen, die gerade im 19.Jahrhundert einen starken Umbruch erlebte.

Der Kindergarten „Rotkäppchen“ in Zörbig ist übrigens bundesweit als allererster FrauenOrt vor 21Jahren aus-„gezeichnet“ worden und feiert dieses Jahr Anfang Juni bereits seinen 175.Geburtstag. Er symbolisiert verschiedene Aspekte: zum einen die Entwicklung weg von der rein häuslichen zur öffentlichen Kleinkindbetreuung bis hin zu Kindergärten mit pädagogischen Konzepten in Abgrenzung zu den reinen „Kinderbewahranstalten“. Mit der in der ersten Hälfte des 19.Jahrhundert einsetzenden Fröbelschen Bewegung und dem wachsenden Bedarf an Personal für öffentliche Einrichtungen erkämpften sich die Frauen das Recht, erstmals eine vollwertige mehrjährige Berufsausbildung zu erhalten. In Sachsen-Anhalt gab es viele Orte für die Ausbildung von Erzieherinnen und Lehrerinnen, deren Spuren z.B. auch in Droyßig und Köthen gefolgt werden kann.

FrauenOrte bezeugen aber auch politische Entwicklungen: beispielsweise mit dem dem Merseburger Ständehaus als Tagungsort des Provinzial-Landtages der preußischen Provinz Sachsen (1876-1933). Aber auch FrauenOrte zur Erinnerung an das dunkle Kapitel der NS-Zeit wie z.B. der Gedenkhain am ehemaligen Frauen-KZ in Salzwedel zeigen- wenn auch extreme- Lebensbereiche auf. Dabei betrachten die Gedenkstätte für Opfer der NS-„Euthanasie“ Bernburg, aber auch die NS-Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in Prettin die Rolle von Frauen sehr differenziert, denn es gab nicht nur weibliche Opfer, sondern auch Täterinnen.

Abgerundet wird diese Tafelauswahl der „Lebenswelten“ hier in St. Ulrici mit der Zeit der Industrialisierung in Deutschland, die ebenso darauf verweist, dass hier in Mitteldeutschland, speziell für die Leuna-Werke im Mai 1926 der erste Betriebskindergarten für ein Industrieunternehmen geschaffen wurden, um die neuen beruflichen Wege von Frauen z.B. in der chemischen Industrie flankierend zu unterstützen.

Zu sehen ist die Ausstellung während der Öffnungszeiten von St.Ulrici an der „Straße der Romanik“, d.h. Mo- Sa 10-12 und 14-16 sowie Sonn- und Feiertag 14-16 Uhr.

Bei Interesse finden Sie auf der Homepage der FrauenOrte, auf Facebook oder über das Anhören der Episoden von #frauenorte-der-podcast weitere Informationen.

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